Schon vor Jahren hat die Automobilindustrie effiziente und bezahlbare Elektroautos angekündigt und in Aussicht gestellt. Nur Teile davon sind heute auf dem Markt, viele Modelle verspäten sich. Das hat Folgen. Man spricht vom Osborne-Effekt.

Der Osborne-Effekt ist ein wirtschaftliches Phänomen, das nach der Geschichte von Osborne Computer Corporation in den 1980er Jahren benannt wurde. Er beschreibt den Rückgang der Nachfrage nach einem bestehenden Produkt, wenn ein Unternehmen zu früh ein neues, besseres Produkt ankündigt. Dies kann zu einem sofortigen Verkaufsrückgang des aktuellen Produkts führen, da die Kunden darauf warten, das angekündigte neue Produkt zu kaufen. Der Osborne-Effekt hat in der Vergangenheit zahlreiche Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht und zeigt auch heute noch seine Auswirkungen – insbesondere in der Automobilindustrie, die sich mitten im Übergang von Verbrennungsmotoren hin zu Elektroautos befindet.

Was ist der Osborne-Effekt?

Die Geschichte des Osborne-Effekts begann, als die Osborne Computer Corporation 1983 ihren tragbaren Computer, den Osborne 1, auf den Markt brachte. Das Unternehmen war erfolgreich, und der Osborne 1 wurde zahlreich verkauft. Doch schon bald kündigte der Gründer Adam Osborne einen neuen, verbesserten Computer an, obwohl das neue Modell noch nicht marktreif war. Diese Ankündigung hatte schwerwiegende Folgen: Die Verkäufe des Osborne 1 brachen ein, da potenzielle Kunden lieber auf das neue Modell warteten. Das Unternehmen war nicht in der Lage, die laufenden Betriebskosten zu decken, und ging schliesslich in Konkurs.

Seitdem hat der Osborne-Effekt als Warnung gedient, was passieren kann, wenn Unternehmen neue Produkte zu früh ankündigen. Der Effekt ist vorwiegend in technologischen und innovativen Branchen relevant, wo Kunden schnell auf neue, verbesserte Technologien umsteigen.

Der Osborne-Effekt in der Autoindustrie

Die Automobilbranche steht derzeit vor einer epochalen Veränderung. Der Übergang von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren (Benzin und Diesel) hin zu Elektrofahrzeugen (EVs oder BEVs) gewinnt an Fahrt. Regierungen setzen zunehmend auf strenge CO₂-Ziele und fördern die Einführung von Elektroautos durch Subventionen und regulatorische Massnahmen. Gleichzeitig kündigen Autohersteller immer wieder neue, effizientere und leistungsfähigere Modelle an, die für die Zukunft der Mobilität stehen.

Fiktive Darstellung vom Osborne Effekt in der Automobilindustrie

Dieser Übergang hat jedoch auch die potenzielle Gefahr des Osborne-Effekts hervorgebracht. Während immer mehr Kunden Elektroautos in Betracht ziehen, sehen sich Automobilhersteller mit einem Rückgang der Nachfrage nach ihren bisherigen Verbrennermodellen konfrontiert. Die Frage stellt sich also: Wie gross ist die Gefahr, dass die Automobilindustrie denselben Fehler begeht wie Osborne Computer vor rund 40 Jahren?

Der Markt für Verbrennungsmotoren in der Krise

Mehrere grosse Automobilhersteller haben bereits ihre Zukunftspläne in Richtung Elektromobilität kommuniziert, inklusive ambitionierten Zielen, bis wann man noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren anbieten möchte. Doch dann haben sich Automarken, Politik und Konsumenten gegenseitig zu immer grösser werdenden Unsicherheiten hochgeschaukelt. Plötzlich wurden Fördergelder für Batteriefahrzeuge gestrichen, die Nachfrage ist gesunken und Automarken sahen sich gezwungen, die Lebensdauer von Verbrennern zu verlängern, da sonst die Umsatzzahlen einzubrechen drohten. Die deutschsprachigen Medien haben das ganze noch mit einseitiger Berichterstattung, Klicks gehen über alles, befeuert und eine Spirale von Unsicherheiten nahm ihren Lauf. Vornehmlich aber nur in Deutschland und der Schweiz.

Auch die Politik trägt eine entscheidende Rolle beim Osborne-Effekts in der Automobilindustrie.

Neben den Strategien der Automobilhersteller selbst spielt auch die Politik eine entscheidende Rolle, um den Osborne-Effekt zu verhindern oder abzumildern, wenn es um den Übergang von Verbrennungs- zu Elektrofahrzeugen geht. Durch kluge Regulierungsansätze und gezielte Förderprogramme kann die Politik dazu beitragen, Unsicherheiten zu verringern und den Wandel zur Elektromobilität zu beschleunigen, ohne dass der Absatz von Verbrennungsfahrzeugen schlagartig einbricht. Unsichere oder widersprüchliche politische Entscheidungen können den Osborne-Effekt verschärfen, da Verbraucher zögern könnten, ein neues Auto zu kaufen, wenn sie nicht sicher sind, welche Vorschriften in naher Zukunft gelten werden.

Unsicherheiten führen zum Osborne-Effekt

Einer der Hauptgründe für den Osborne-Effekt ist die Unsicherheit, die durch vage Ankündigungen entsteht. Politik und Autohersteller sollten daher klare Zeitpläne und transparente Informationen bereitstellen, um Verunsicherung bei den Verbrauchern zu vermeiden. Kunden müssen wissen, wie lange sie noch Verbrennerfahrzeuge kaufen können und welche Vorteile es gibt, jetzt auf Elektromobilität zu setzen.

Ausbau der Ladeinfrastruktur und ein Recht auf Laden

Eine der grössten Hürden beim Kauf von Elektrofahrzeugen ist nach wie vor die Ladeinfrastruktur. Viele potenzielle Käufer zögern, sich für ein Elektroauto zu entscheiden, da sie sich unsicher sind, ob die Ladeinfrastruktur in ihrer Region ausreichend ist. Oder sie sind Mieterin oder Mieter und können daher nicht selbst über den Einbau einer Wallbox entscheiden. Hier könnte die Politik eingreifen, um den Osborne-Effekt abzumildern.

Durch ein «Recht auf Laden» würde die Politik den Mieterinnen und Mietern die Chance geben, dass sie auf eine Ladeinfrastruktur im Mietobjekt bestehen können. Ein solcher politischer Vorstoss wird in der Schweizer aktuell behandelt. Durch den verstärkten Ausbau der Ladeinfrastruktur – insbesondere in ländlichen Gebieten oder an Autobahnen – könnten Regierungen das Vertrauen der Verbraucher in Elektroautos stärken und den Übergang beschleunigen. Je besser die Ladeinfrastruktur ausgebaut ist, desto weniger werden die Kunden zögern, auf Elektroautos umzusteigen.

Fazit

Der Osborne-Effekt zeigt eindrucksvoll, wie gefährlich es sein kann, die Markteinführung eines neuen Produkts zu früh anzukündigen. In der Automobilbranche könnte die rasante Umstellung auf Elektroautos zu einem Nachfragerückgang bei Verbrennermodellen führen. Kunden, die auf die nächste Generation von Elektrofahrzeugen warten, könnten den Absatz der aktuellen Modelle beeinträchtigen.

Wenn ich die Forecastzahlen der IEA und Boston Consolting Group von PKW-Verkaufszahlen in eine Grafik überführe, so zeichnet sich im Moment noch kein grosser Osborne-Effekt ab. Auch die einbrechenden Verkaufszahlen, beschränken sich auf ein schwieriges Jahr 2025, danach erholen sich die Neuzulassungen Jahr für Jahr. Es zeigt sich aber auch, dass wir wohl erst im Jahr 2029 weltweit mehr Elektrofahrzeuge pro Jahr neu zulassen als Fahrzeuge mit Verbrennermotoren.

Der Wandel hin zu Elektroautos ist unvermeidlich, und obwohl der Osborne-Effekt eine reale Bedrohung darstellt, können Politik und Automobilindustrie den Übergang reibungslos gestalten, wenn sie die richtigen Schritte unternehmen.

Was denkst du? Steckt die Automobilbranche bereits im Osborne-Effekt? Oder können Politik und die Automarken das schlimmste noch abwenden? Wo stehst du in deiner Entscheidung zur Antriebstechnologie?