Rund 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer wohnen zur Miete. Damit können Sie nicht selber über den Ausbau von Garagen und Parkplätze entscheiden, was wiederum einen Einfluss auf die Elektromobilität hat. Darum habe ich für drei Monate den Selbsttest gemacht: Funktioniert Elektromobilität ohne Ladestation beim heimischen Parkplatz?
Als Hausbesitzer sieht bei mir die Situation etwas anders aus. Mit einer eigenen Photovoltaikanlage und Wallbox, können wir unsere Elektroautos nicht nur grösstenteils mit eigenem Solarstrom laden, sondern können die Fahrzeuge auch bequem (fast) jederzeit laden, wenn die Autos nicht gebraucht werden.
Meistens wenn ich mit verschiedenen Personen zum Theme Elektromobilität zu sprechen komme, bekomme Dinge zu hören wie: "Ich würde ja gerne auf ein Elektroauto wechseln, aber mein Vermieter erlaubt keine Wallbox-Installation in unserer Tiefgarage.", oder Ähnliches. Daher wollte ich von Ende Dezember bis Ende März den Selbsttest machen: Wie sehr schränkt mich die Flexibilität und Mobilität ein, ohne eigene Wallbox ein?
Der Zeitpunkt war perfekt. Ich musste noch auf mein neues Elektrofahrzeug warten, daher habe ich für drei Monate einen Cupra Born bei Clyde gemietet. Ein Auto-Abo, bei dem wirklich alles inbegriffen ist. Das Fahrzeug, die Versicherung, Service, Reifen, Steuern, Zulassung, Vignette und sogar eine Ladekarte von swisscharge.ch, mit der man an über 8'120 Lademöglichkeiten in der Schweiz und weiteren über 256'000 Lademöglichkeiten in Europa.
Fahrzeug und Fahrprofil entscheiden mit
Der ausgewählte Cupra Born hat eine Batteriekapazität von 62 kWh und einen Verbrauch von durchschnittlich 19,4 kWh/100 km, was in Kombination mit der Rekuperation zu einer realen Reichweite von rund 350 Kilometer führt.
Aktuell lege ich pro Woche rund 300 bis 400 Kilometer zurück. Darin enthalten ist nicht nur mein Arbeitsweg von zweimal rund 50 Kilometer, sondern noch ein paar weitere Destinationen. Damit muss ich also nicht täglich laden, sondern lediglich mindestens zweimal in der Woche.
Natürlich habe ich die Möglichkeit, bei meinem Arbeitgeber zu laden. Da gibt es mittlerweile über 26 AC-Ladestationen. Für den Test habe ich diese bewusst ausgelassen, denn eine solche feudale Möglichkeit ist leider auch nicht bei jedem Arbeitgeber anzutreffen.
Wo kann ich sonst noch laden?
In unserer Gemeinde gibt es auf dem Parkplatz der Gemeindeverwaltung zwei Lademöglichkeiten mit bis zu 22 kW. Das hilft schon sehr, wenn man beispielsweise etwas im Dorf zu erledigen hat, den Born da laden zu lassen, zur Not auch über die Nacht angesteckt zu halten.
Was ebenfalls hilft, wenn man bei den gängigen Einkaufsmöglichkeiten sich auf Orte konzentriert, bei denen es Lademöglichkeiten gibt. Immer mehr Parkhäuser bieten Lademöglichkeiten an. So konnte ich eigentlich fast immer, wenn ich irgendwo das Auto abstellen musste, dieses während der Parkzeit aufladen.
Eine weitere Möglichkeit ist auf dem Arbeitsweg an einer Autobahnraststätte rasch eine Pause von 20 Minuten einzulegen. Denn heutige Elektroautos laden von 20 auf 80 % in weit unter 30 Minuten. In den 15 Minuten kann man schon mal Mails bearbeiten, einen Kaffee holen oder Telefonate führen.
Nach einem Ausflug an eine rund 120 Kilometer entfernte Destination haben wir bei der Heimreise am Abend einfach einen Halt bei einem Restaurant mit Schnellader in der Nähe gemacht und ein feines Dinner genossen.
Mein Fazit zum Selbsttest Elektromobilität ohne eigene Lademöglichkeit
So etwas wie Reichweitenangst, minutiös geplante Routen, überfüllte Ladestationen oder stundenlange Wartezeit, bis der Akku geladen ist, kannte und kenne ich nicht. Selbst mein eher ländliches Bewegungsprofil hatte keinen negativen Einfluss. Es gibt bereits sehr viele Lademöglichkeiten und je länger man Ausschau hält und entsprechenden Apps konsultiert, umso mehr Ladestationen entdeckt man.
Ohne eigene Lademöglichkeit beim heimischen Parkplatz kann sich das Verhalten von Personen mit einem Elektroauto aber dahin gehend ändern, dass bei der Destination eher Ziele bevorzugt, welche Lademöglichkeiten anbieten. Egal, ob Einkaufsmöglichkeit, Hotel, Skigebiet oder Parkhaus. Selbst Vermieter oder Arbeitgeber ohne Investitionen in die Ladeinfrastruktur der Elektromobilität werden es in naher Zeit schwer haben.
Elektromobilität ohne eigene Ladestation ist durchaus möglich, ohne grosse Einschränkungen. Dennoch gewinnt man natürlich an Bequemlichkeit und kann auch einiges an Kosten sparen, wenn man daheim laden kann. Müsste ich wählen, würde ich sofort in eine eigene Wallbox investieren, klappt es nicht, würde ich mich nach einer neuen Wohnung umsehen. Aber ich wüsste, es geht auch ohne heimische Ladestation ausgezeichnet.