Was vielen nicht bewusst ist, Reiter mit Pferde oder auch Kutschen haben die gleiche Daseinsberechtigung auf den Schweizer Strassen wie Fahrräder, Motorräder oder Autos. Aber natürlich ebenso die gleichen Pflichten! Leider kommt es in der Schweiz pro Jahr zu gut 1’700 Unfällen beim Ausreiten. Zum allergrössten Teil auf den Strassen!
Die Schweiz ist sehr gut mit Schienen und Strassen erschlossen. Was bequem für die Erreichung eines Wegziels ist, ist gerade für Reiterinnen und Reiter eher hinderlich und eine grosse Herausforderung. Pferde sind von Natur aus Fluchttiere und rennen bei Unsicherheit oder Angst am liebsten weit davon. Unter allen Umständen und mit jeder Konsequenz! Mit viel Geduld und Zeit kann man Pferde trainieren und an die Strasse und Fahrzeuge gewöhnen. Dennoch besteht immer ein Restrisiko, dass ein Pferde die Ängste nicht aushält, sich vor einem Knall oder einem neuen, unbekannten Geräusch aufregt und davon rennt. Mit etwas Glück über ein Feld. Weniger gut wäre über die vielbefahrene Strasse oder eine Kreuzung… Leider kommt es viel zu oft vor, dass bei Pferden falsch reagiert wird. Teils von Reiter, zum grossen Teil aber auch von den Autolenker.
Die Schweizer Verkehrsregelnverordnung (VRV) besagt: „Auf Strassen mit starkem Verkehr dürfen nur geübte Reiter und nur auf verkehrsgewohnten Tieren reiten….“. Aber auch bei verkehrsgewohnten Pferden gibt es immer Situationen die überfordern können. Beispielsweise ein Auto fahrt zu dicht auf, oder ein Lastwagen überholt sehr nahe und am Strassenrand besteht nicht die Möglichkeit auszuweichen wegen einer Leitplanke oder einer Mauer. Das alles sind Situationen in denen auch ein gut ausgebildetes Pferd durchbrennen kann.
Wir Autofahrer können auf Pferde im Strassenverkehr Rücksicht nehmen mit ganz einfachen Verhaltensregeln:
- Grundsätzlich verhalten sich erfahrene Pferde ruhig, wenn sie im Strassenverkehr unterwegs sind. Damit sie nicht scheuen, sollten sie von Auto- und Motorradfahrern mit reduzierter Geschwindigkeit (20, maximal 30 Km/h) und möglichst grossem Abstand (mindestens 2 Meter) überholt werden.
- Ist das Überholen nicht sofort möglich, sollte der Verkehrsteilnehmer hinter dem Pferd einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. So werden die Tiere durch das Motorengeräusch nicht unruhig.
- Auch bei entgegenkommenden Reitern sollte das Tempo reduziert werden, damit der Fahrer die Situation richtig einschätzen kann. Zudem sollte mit Gegenverkehr gerechnet werden, der die Pferde überholt.
- Pferde sind Fluchttiere. Unnötige Geräusche wie das Aufheulen des Motors oder lautes Hupen sollten vermieden werden, damit sich die Tiere nicht erschrecken.
Kürzlich ereignete sich ein Reitunfall in der Region Gösgen. Ein Pferd ist erschrocken, flüchtete und rutsche auf Schienen einer kombinierten, einspurigen Bahn- und Autobrücke aus. Das Pferd und die Reiterin stürzten vor einer Kolonne wartender Autos. Die Reiterin blieb regungslos am Boden liegen und das Pferd rannte davon. Jetzt ratet mal wie viele Autofahrerinnen und Autofahrer ausgestiegen sind um der Reiterin zu helfen… Niemand!
Alles was ich mir wünsche ist, dass wir alle ein bisschen mehr Rücksicht aufeinander nehmen und uns gegenseitig mit Respekt und Anstand begegnen. Dann schaffen wir es auch mal 600 Meter langsam hinter einem Pferd zu fahren und es dann mit genügen Abstand und ohne Gegenverkehr zu überholen oder kurz aus dem Auto zu steigen und einer verletzten Reiterin zu helfen.