Wie steht es um den Restwert von Elektroautos?
Die Elektromobilität ist eine noch junge Technologie. Noch ist die Anzahl an Modellen und Ausführungen überschaubar, im Vergleich zu den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Aber ein Thema macht aktuell die Runde: Die steht es um den Wiederverkaufswert von Elektroautos?
Man kann es wohl in einem Satz zusammenfassen: Das Elektroauto ist Opfer des eigenen Erfolgs. Was wiederum in zwei wesentlichen Faktoren erklärt werden kann, welche einen negativen Einfluss auf den Wiederverkaufswert haben:
- Die Entwicklung der Batterie
Während Verbrennerfans mir vor fünf Jahren eingetrichtert haben, dass die physikalischen Grenzen der Batterie erreicht seien, und man nicht mehr Reichweite erwarten dürfe, zeigt sich nun, dass das so nicht stimmte. Die Entwicklung von leistungsfähigere Batterien und effizienteren Elektromotoren nimmt grosse Entwicklungsschritte und diese werden auch zeitnah auf den Markt gebracht. Mit dem Ergebnis, dass Elektroauto-Modelle bei einem Facelift nach zwei, drei Jahren, zu einem ähnlichen Preis und mit mehr Reichweite anboten werden können. Das hat natürlich negative Konsequenzen für das Vorgängermodell. - Preissenkungen und Rabatte machen Neuwagen attraktiver als Gebrauchte
Mit jeder Preissenkung der Automobilhersteller werden die moderneren Neuwagen viel attraktiver als Occasionsfahrzeuge und mindert damit auch automatisch den Restwert der in die Jahre gekommenen Fahrzeuge. Die grossen Preissenkungen von Tesla haben dazugeführt, dass Autovermieter wie Hertz und Sixt ihre Tesla-Modelle abstossen, bevor der Restwert noch tiefer fällt. Und private Tesla-Besitzer können ihre drei Jahre alten Fahrzeuge kaum mehr zu einem vernünftigen Preis weiterverkaufen, weil die neuen Modelle ähnlich viel Kosten, aber mit Garantie und mehr Leistung zu haben sind.
Premium Elektroautos verlieren stärker an Wert
Elektrofahrzeuge aus den Premiumkategorien wie der Porsche Taycan oder auch der Audi e-tron 50 Quattro müssen oft schon nach zwei, drei Jahren mit Abschlägen von 50 Prozent und mehr rechnen. Das sah im Jahr 2022 und Anfang 2023 noch ganz anders aus. Lieferengpässe, Chipmangel und die Coronakrise haben dazu geführt, dass die Preise für gebrauchte Autos auf Rekordhöhe kletterten, auch für Elektroautos. Das hat sich Ende 2023 schlagartig verändert. Das plötzliche Ende der Lieferkettenprobleme hat einige Branchen komplett überrascht.
Diese Veränderung in der Lieferkette, kombiniert mit den rasanten Veränderungen in der technischen Entwicklung bei Elektrofahrzeugen (vergleiche den Porsche Taycan aus dem Jahr 2020 mit dem aktuellen Modell 2024) führt unweigerlich dazu, dass der Restwert nach drei, vier Jahren nicht mehr gross sein darf und bei rund 50 bis 33 Prozent vom Neuwert liegt.
Einzelne, mir zugetragene Erlebnisse zeigen, dass Händler für drei- bis vierjährige Porsche Taycan Modelle, mit 40'000 bis 50'000 Kilometer und einem damaligen Neuwert von 200'000 Franken, heute nur noch 50'000 bis 70'000 Franken bieten. Ein Blick auf Autoscout24 bestätigt das. Nur beim Porschehändler selbst, werden die gebrauchten Taycan teurer angeboten. Günstigere, "normale" Elektroautos kommen im Hinblick auf den Restwert besser weg.
Was sagen die Daten bezüglich des Restwertes von Autos?
Die Autovista Group erhebt in unterschiedlichen Märkten verschiedenste Verkaufs- und Wiederverkaufsdaten. So auch in der Schweiz. Und hier sind die Restwerte für einen dreijährigen PKW mit 60'000 Kilometer, aufgeteilt, je nach Antriebsart im Verlauf der Zeit:
Das Elektroauto hatte Ende 2022 das bisherige Allzeithoch bezüglich der Restwerte und war den Fahrzeugen mit Diesel, Hybrid und Plug-in-Hybrid Antrieb überlegen. Doch 2023 änderte sich das Blatt. Erstaunlicherweise übertrumpft der Hybrid alle anderen Antriebe, das Elektroauto lässt nach, aus den oben erwähnten Gründen.
Endlich mehr Elektroautos im Occasionsmarkt
Lange wurde bemängelt, dass es kaum Elektroautos im Occasionsmarkt gibt. Das ändert sich jetzt, den aktuell neigen sich viele erste Leasingverträge dem Ende zu. Bereits gegen Ende 2023 konnte ein Anstieg verzeichnet werden, was insgesamt gut für «zahlbare» Elektroautos ist. So kommen Menschen ohne grosse Investitionen in den Genuss der Elektromobilität. Gemäss Autovista hat der Sales-Index der Elektroautos zugenommen und entgegen gewisser Berichterstattungen, stehen die gebrauchten Elektroautos auch nicht unendlich auf dem Autohof. Verbrenner Fahrzeuge werden im Schnitt nach 80 Tagen verkauft, E-Autos nach ca. 100 Tagen.
Ist das Elektroauto-Leasing die Lösung?
Wer nun sein drei- oder vierjähriges Elektroauto verkaufen möchte, wird erkennen, dass er gegenüber einem Verbrenner, finanziell schlechter da steht. Könnte also ein Leasing die Lösung sein, um das Problem mit dem Verkauf und dem Restwert zu umgehen? Wahrscheinlich ja, wobei die Leasingkosten die neuesten Erkenntnisse zum Restwert-Risiko einberechnet haben werden. Man muss sich aber definitiv keine Sorgen um den Verkauf des Fahrzeugs machen.
Mein Fazit zum Restwert von Elektroautos
Es kam, wie es kommen musste: Das Elektroauto ist Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Während man beim Verbrenner kaum mehr etwas verbessern kann und Innovationen seit Jahren vermisst werden, können Elektrofahrzeuge von Jahr zu Jahr mit bahnbrechenden Fortschritten auftrumpfen und mittlerweile auch zeitnah geliefert werden.
Die Elektromobilität steht ganz am Anfang einer atemberaubenden Entwicklung. Der technologische Fortschritt kommt in kurzen, aber massiven Veränderungsschritten und sorgt so dafür, dass alle zwei, drei Jahre viel effizientere und bessere Modelle auf den Markt kommen. Zum Nachteil der Vorgängermodelle.
Man hätte es vielleicht im Jahr 2020 oder 2021 erahnen können, dass es so kommt. Erschwerend kam aber Corona, der Ukrainekrieg, diverse Lieferengpässe und Chipmangel dazu. Das machte damals die auch noch nicht so reifen Elektrofahrzeuge begehrenswert und sorgte für kurze Zeit für hohe Restwerte. Jetzt, da die Lieferketten besser als je zuvor funktionieren, sieht es wieder anders aus. Und die Entwicklung der Elektromobilität ist noch lange nicht ausgereizt. Der Fahrzeughersteller Nio kommt demnächst mit einer Batterie auf den Markt, mit welcher ein Elektroauto eine Reichweite von 1'000 Kilometer erhält.
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, die Elektromobilität ist die Zukunft. Wir sind mitten in einem Wechsel und da gibt es auch mal Rückschläge und Ängste vor der Veränderung, mit entsprechenden Gegenbewegungen. Die Elektromobilität ist und bleibt die effizienteste Art der Fortbewegung und wird eine immer grössere Rolle im Thema Energie einnehmen. Energie, Gebäude und Elektromobilität werden ein sehr interessantes Gespann, darüber mehr zu einem späteren Zeitpunkt.